Rumkommen

Reisegeschichten

Runter von der Insel

Jun 292016

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Nach zehn Monaten Reisen auf derselben Insel ist nun die Zeit angebrochen, wieder das europäische Festland zu betreten. Es ist schon etwas seltsam, dieses sich zur Komfortzone entwickelte Land zu verlassen, aber es fühlt sich auch wieder mehr danach an, wirklich unterwegs zu sein.

In Yorkshire lerne ich den Kletterer Lloyd kennen. Er nimmt mich mit, um die Felsen der "Yorkshire Dales" zu besteigen. Und am Ende vermacht er mir sogar noch sein altes Paar Kletterschuhe, das hervorragend passt. Ich habe wieder Blut geleckt. Und da jetzt Sommer ist, heißt es: Klettergebiete in Frankreich und Spanien anpeilen! Die letzten Wochen in Großbritannien verbringe ich damit, einige bekannte Gesichter zu treffen. So kehre ich wieder ein in Coventry bei Abi und Claire, die Hanna und mich im letzten Jahr bei sich berherbergt hatten. Es ist ein tolles Gefühl, die beiden nach so langer Zeit wieder zu sehen.

Danach geht es nach Oxford. Ich übernachte bei den zwei Couchsurfern Michal (aus der Slowakei) und Ria (aus Japan). Michal zeigt mir seine persönlichen Liebingsstellen in Oxford. Er geht auch regelmäßig containern und hat ca. 15 kg Käse im Kühlschrank. Somit steht der Speiseplan für die nächsten paar Tage auch fest. Leider kann ich bei Michal für zwei Nächte unterkommen. Deshalb hatte ich schon bei einem weiteren Couchsurfing-Gastgeber angefragt. Dieser muss aber aufgrund eines Notfalls absagen. Und ich möchte noch nicht die Stadt verlassen. Das Hostel ist allerdings zu teuer. Tja, da bleibt mir nur eine Möglichkeit...

Das Wetter meint es gut mit mir und so entschließe ich mich dazu, eine weitere Grenze zu überschreiten und die Nacht im Park zu verbringen. Auf einer Bank im Zentrum der Stadt esse ich genüsslich mein Abendbrot und vertreibe mir die Langeweile beim Warten auf den Sonnenuntergang mit etwas Gitarre spielen. Drei Spanier auf dem Fahrrad halten vor mir an. Einer der drei nimmt seine Ukulele vom Rücken und steigt mit ein. Ich mache ihnen mit Handzeichen deutlich, dass sie sich zu mir gesellen sollen, um eine Runde zu jammen. Aber die drei entschuldigen sich und sagen, dass sie einen Grillabend bei sich veranstalten und deshalb keine Zeit haben. Aber ich solle doch einfach mitkommen! Es gäbe sogar ein extra Zimmer, in dem ich schlafen könnte. Da muss ich nicht lange überlegen. Nach einer halben Stunde komme ich am Haus an. Es liegt sehr nahe am Zentrum in einer wunderschönen Wohngegend und schon von weitem höre ich, dass die Party bereits in vollem Gange ist. Ich werde herzlich willkommen geheißen und habe einen der unterhaltsamsten Abende seit langem! Mit viel Musik, Tanz, Fraß, Trunk und guter Laune!

Die nächste Station ist Dungeness, einer der längsten Kiesstrände der Welt. Dort treffe ich Regina wieder, bei der ich auch schon auf dem Weg gen Norden mit Hanna übernachtet hatte. Ich verbringe mehr als eine Woche in ihrem Haus. Regina ist vegan und so entdecke ich viele neue pflanzenbasierte Rezepte wie Käse, Sushi und Eiscreme. Es ist eine kulinarisch vielseitige Woche. Wir besuchen Freunde von ihr in Hastings und Brighton (natürlich immer mit Einladung zum Essen) und das Wochenende über habe ich Haus und Klavier allein für mich. Eine tolle Gelegenheit, mal wieder abschalten zu können.

Und nun ist es endgültig Zeit, die Insel zu verlassen. Reginas Nachbarin bringt mich mit dem Auto ein Stück weit raus aus dem Ort. Dann sammeln mich Vater und Sohn auf, die nach Dover wollen. Auf dem Weg nehmen wir einen weiteren deutschen Tramper mit, der auch die letzten Monate in Schottland verbracht hat. Es ist nicht einfach, eine Mitfahrgelegenheit auf die Fähre zu bekommen. Ein Konvoi von 160 Autos hat sich heute angemeldet, um Spenden ins Flüchtlingscamp nach Calais zu bringen. Ich steige bei einem der Autos zu, doch leider komme ich damit nicht auf die Fähre, da ich nicht auf der Liste der angemeldeten Personen stehe. Also steige ich um zu zwei Bayern, die auf dem Weg zurück nach Hause sind. Auf dem Weg durch den Check-In erfahre ich, dass die beiden nach Dunkerque und nicht nach Calais fahren und es erweist sich als äußerst schwierig von dort Richtung Boulogne-sur-Mer zu trampen.

Mein Gastgeber dort ruft mich an und sagt, ich solle mir keine Sorgen machen. Ein Freund von ihm ist schon auf dem Weg, um mich abzuholen. So verbringe ich drei Tage bei Guillaume und seinem Freund Maxime in Boulogne-sur-Mer, einer kleinen Stadt nahe Calais mit einem der größten Fischereihäfen Frankreichs. Dort bekomme ich auch das "ja" von Kim und Oliver, bei ihrem Hausbau-Projekt in der Normandie auszuhelfen.

Nachdem ich von vier Autos und einem LKW mitgenommen werde, erreiche ich den kleinen Ort Villedieu-les-Poêles noch am selben Tag. Und das trotz heftigen Regens und einer Strecke von mehr als 400 km! Kim holt mich ab und wir fahren direkt zum Grundstück in der Nähe von Brécey. Es ist sehr idyllisch hier. Die beiden haben eine kleine Tochter und bauen ihr Haus ganz allein. Nebenbei kümmern sie sich um einen großen Garten, in dem alles wächst, was man zum essen braucht. Außerdem haben sie zwei Esel, Gänse, Hühner und Meerschweinchen. Oliver hat es sich zur Aufgabe gemacht, das alte Steinhaus so nachhaltig wie möglich zu restaurieren und zu erweitern. Somit arbeiten wir vor allem mit einem Gemisch aus Miscanthus, Kalk und Wasser, um umweltfreundlichen und atmungsaktiven Beton herzustellen. Es gibt eine Menge zu lernen über alternative Baumethoden und es lebt sich hier verdammt entspannt. Die beiden Esel sind unglaublich zutraulich und ich merke sofort, dass es zwei arbeitsreiche, aber gleichzeitig erholsame Wochen werden. Und am Ende der Zeit in der Normandie werde ich wohl sogar Bob und Becky aus Schottland treffen, denn die machen hier in ein paar Tagen Urlaub!

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Klettern mit Lloyd in den Yorkshire Dales, England

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Das coolste Haus in Oxford, England

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Veganes Rohkost-Dinner bei Pete und Kim in Hastings, England

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Drum'n'Bass Party in Boulogne-sur-Mer, Frankreich

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Die neugierige Eselin Capucine in Brécey, Frankreich

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Die fertige Seite des Hauses von Kim und Oliver in Brécey, Frankreich

Kommentare

zimtlust30 Juni, 2016... das Reisefieber, da ist es wieder!
Ch. & J.22 Juli, 2016Toll - endlich wieder einer auf dem Festland. Schöne Grüße aus Kritzmow

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