Rumkommen

Reisegeschichten

18 Tage Wasser, Wellen, Wolken, Wind

Feb 172017

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Am 28.01.2017 war es soweit. Nachdem wir genug Essen und 240 Liter Trinkwasser an Bord gebracht haben, verabschieden wir uns von Alejandro und der Crew der Hoppet in San Miguel.

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Alejandro hilft uns mit den letzten Besorgungen. Wie gut, dass er ein Auto hat!

Sie winken uns zum Abschied und entlassen uns auf das große Meer. Von jetzt an heißt es: Süßwasser und Strom sparen an Bord. Gleich nach der Hafenausfahrt werden Groß- und Vorsegel gesetzt und der Kurs gen Süden eingeschlagen.

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Noch fühlt es sich an, wie jeder andere Segeltörn, den ich so während meiner Reise unternommen habe. Ganz real erscheint es mir noch nicht, am Ende tatsächlich in der "Neuen Welt" rauszukommen. Das wird sich erst innerhalb der nächsten Tage ergeben. Der Wind nimmt ab und so setzen wir den Spinnaker. Dank der Erfahrungen unseres Kapitäns Berni im Regatta-Segeln können wir hier noch richtig viel lernen, was die Manöver und das Navigieren auf hoher See angeht. Mittlerweile weiß ich, was dichtholen, fieren und reffen bedeutet und worum es sich bei Genua, Spi-Baum, Vorstag, Saling, Wante, Schot, Fall, Winsch, Block, Hochholer und Niederholer handelt.

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In den ersten Nächten tragen wir noch Jacken, Schals und Mützen, aber je weiter südlich wir segeln, umso wärmer wird es. Der Wind nimmt dann doch wieder zu und so trägt uns die Genua einige tausend Kilometer weit. Marianne und ich übernehmen am Anfang das Kochen, da Joshi noch etwas mit Übelkeit zu kämpfen hat.

Da wir zu viert sind, müssen wir nur jeweils eine Schicht (3 Stunden) Nachtwache halten. Den noch verfügbaren Schlaf haben wir alle aber auch bitter nötig, denn es hört einfach nicht auf zu schaukeln. Die Wellen sind 2-3 Meter hoch und erschweren die täglichen Arbeiten an Bord, sodass wir uns irgendwann damit abfinden, den gesamten Tag zu lesen. Nur wenn es wirklich nötig ist, wird gekocht, abgewaschen und ein Logbucheintrag geschrieben.

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Aber auch andere Tätigkeiten werden ausprobiert, um den langen Tagen etwas Abwechslung zu verschaffen. Nachdem Marianne und ich feststellen, dass es unmöglich ist, bei dem Wellengang Yoga zu machen, widmen wir uns anderen Beschäftigungen, wie dem Gitarre spielen, dem Malen, dem Fotografieren und natürlich den immer auftretenden Wartungsarbeiten auf dem Schiff. Zum Beispiel hatten wir mal wieder den Spi gesetzt, als dieser sich kurzerhand vom Mast löste. Der Schäkel ist aufgebogen und musste ersetzt werden. Dazu mussten wir aber erst mal das Seil von oben wieder runterholen. Das geht natürlich nicht ohne klettern, hehe:

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Eine weitere tolle Abwechslung ist Joshis Geburtstag. Wir backen sogar einen Schokokuchen für ihn und Marianne und Berni spendieren ihm einen Anruf nach Hause mit dem Satellitentelefon.

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Eine Woche lang sind wir nun schon unterwegs und es ist einfach nicht möglich, zu baden. Die Wellen sind zu hoch. Aber etwas Hygiene sollte schon drin sein. Also errichten wir eine wassersparende, von Menschenhand betriebene Süßwasserdusche:

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Wirklich satt sehen kann man sich am Himmel glücklicherweise nicht. Täglich zwei mal werden wir von tollen Sonnenaufgängen und -untergängen belohnt. Alle paar Tage während meiner Nachtwache überkommt mich ein Gefühl vollkommenen Glücks. Lebe ich tatsächlich gerade meinen Traum? Auf diesen Moment habe ich zwei Jahre lang gewartet. Endlich wird er wahr. Und so schnell geht er nicht vorbei. Es ist ein langer Weg von Europa nach Amerika und ich habe die Chance, diesen in seinem vollen Ausmaß wahrzunehmen. Sowohl in aller Gewalt als auch in all seiner Schönheit.

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Als der Wind abnimmt, setzen wir wieder den Spinnaker. Den kann man aber wirklich nur für leichten Wind benutzen, da er Windstärken über 20 Knoten nicht standhält. Als dann der Wind aber plötzlich wieder zunimmt, haben wir keine Chance mehr, ihn rechtzeitig zu bergen. Wir hören einen Riss und sehen das Segel unkontrolliert vor dem Bug flattern. Mist! Berni bleibt aber ganz ruhig und weist uns an, was wir zu tun haben. Wir ziehen das Segel an Deck und werfen den Motor an. Das Problem ist, dass das Fall nun mit dem Spinnaker-Rest oben im Mast hängt und wir es irgendwie runter an Deck bekommen müssen. Ich darf also wieder klettern! Juhuuu!

Nun sind alle Teile an Bord. Gleich am nächsten Tag, als der Schreck langsam verdaut ist, setzen sich die beiden Bootseigner an die Reparatur. Es ist unwahrscheinlich, dass der Spinnaker nach einem kompletten Riss mit den bescheidenen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, wiederbelebt werden kann. Aber wenn wir eins haben, dann ist es Zeit. Zeit genug, um auszuprobieren.

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In der Zwischenzeit wird wieder die Genua gesetzt und Berni und ich improvisieren noch die Montage eines zweiten Vorsegels. Es sieht zwar ganz nett aus, bringt aber nicht wirklich viel und kann uns nicht schneller voran bringen.

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Am nächsten Morgen wird diese fragwürdige Konstruktion also gegen den reparierten Spi ersetzt. Wir sind alle gespannt, ob er überhaupt das Hochholen aushalten würde. Und tatsächlich, da fliegt er! Mit leichten Gebrauchsspuren zwar, aber er hält stand!

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Mit einer Mischung aus Verwunderung und Stolz lobpreisen wir das heilige Segel und staunen ganze anderthalb Stunden lang. Dann beginnt die Naht zu reißen. Also runter mit ihm, den kleinen Riss noch fester vernäht und wieder hoch! Weitere zwei Stunden hält das Segel, doch dann reißt es an einer anderen Stelle auf und es ist klar: das Ding wird eingepackt und verräumt. Ohne Segelmacher können wir nichts mehr für den Patienten tun. Nun heißt es also: ausharren in den letzten paar Tagen mit wenig Wind.

Das ist nicht schwer für die Crew, das Kochen ist einfacher, man wird nicht mehr ständig in den Kojen hin und her geworfen und stößt sich nicht ständig an allen Ecken und Kanten des Bootes, wenn die See ruhig ist. Nur der Käpt'n hat etwas zu knabbern an der Situation. Er ist von Natur aus das schnelle, effiziente Segeln gewöhnt und nun hat ihn sein Spi im Stich gelassen. Doch wir schaffen es, ihn bei Laune zu halten und können ihn sogar dazu überreden, endlich eine Badepause einzulegen.

So ziehen die Tage dahin. Von Joshis Seekrankheit ist rein gar nichts mehr zu spüren, wir sind alle komplett akklimatisiert. Die Nächte werden zum Ende hin ruhiger, da sich nun nur noch sehr flache, lange Wellen an unser Boot schuppern. Der Himmel verändert sich auch, je näher wir der Karibik kommen. Einen Abend ist im Westen das leuchtende orange Feuer und im Osten eine fast schon kitschig wirkende Mischung aus hellblau und rosa am Firmament zu sehen.

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Die Zeichen sind eindeutig. Und nur wenige Tage später ist es soweit: Die Silhouette von La Désirade erhebt sich am Horizont. LAND IN SICHT! Es dauert nicht lange und schon befinden wir uns direkt davor. Wir können uns gar nicht satt sehen and den Klippen, Stränden und Palmen.

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Da wir dort keine geeignete Ankerbucht finden, geht es noch ein Stückchen weiter gen Westen auf eine eine größten Inseln der kleinen Antillen: Guadeloupe. Diese gehört zu Frankreich und erleichtert uns somit das Einklarieren. Wir können dort sogar mit Euros bezahlen! Ende gut, alles gut. Nun heißt es: Landgang!

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Die Crew unter Palmen. Endlich. © Joshi Nichell

Kommentare

Beatrice Bärfuss18 Februar, 2017Was für ein toller Reisebericht! Vielen Dank und grosses Kompliment! Wir waren ja Tag und Nacht in Gedanken bei Euch!!! Und wir sind so froh und glücklich, dass Berni und Marianne mit Dir und Joshi eine solch wunderbare, effiziente und überaus fröhliche Crew gefunden haben für dieses Abenteuer. Uns Eltern, aber auch allen anderen Lesern und Zuschauern, habt Ihr diese Atlantiküberquerung ebenfalls zum Erlebnis werden lassen! VIELEN DANK! Wir wünschen Euch auf Eurer Reise nach Südamerika noch viele unvergessliche Erlebnisse!
Paul Naglatzki18 Februar, 2017Moin Albi. Geile Nummer. Beneidenswert. Sag bescheid, wenn du in China bist - dort treffen wir uns.

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